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”Die weiße Rose des Ostens” 08
 

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Gut fünf Tage waren Amalric und Tahir seither unterwegs. Die nächste Oase war noch knapp einen Tag von ihnen entfernt. Wasser hatten sie genug, ebenso Vorräte, Trockenfleisch und Trockenobst. Doch ein Lichtblick kündigte sich an, als Tahir die Fährte eines Bocks im Sand erblickte. "Ich werde jagen. Bleibst du hier ? Die Schwarzen sind nicht schnell genug in der Wüste." Er bat Amalric dazubleiben, denn es wurde eh langsam Zeit, daß sie ihr Lager aufschlugen. Der Bock war noch nicht weit, das sah man an der Spur. Frisches Fleisch würde ihnen allen mehr als nur gut tun.

Der junge Spanier nickte nur und lenkte seinen Hengst näher zu Tahir, zog ihn kurz an sich und küßte ihn verlangend, ehe er ein leises "Beeil dich, meine Rose." an dessen Lippen wisperte. Dann löste er sich und stieg ab, führte die Pferde an die Seite und nahm ihnen das Gepäck ab, band sie an einem der Felsen fest und versorgte sie, bevor er damit begann, das Zelt aufzubauen. Amalric wußte, daß der junge Araber sich beeilen würde, um rechtzeitig wieder zurück zu sein, da sie die ruhigen Nächte immer sehr genossen.

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Unterdessen folgte Tahir der Fährte. Adan blieb noch neben ihm, der Kater brauchte seine Kraft noch früh genug, um den Bock zu erlegen. Trotz daß die Fährte recht frisch war, dauerte es einige Zeit, bis der Bock in Sicht kam. Das Tier knabberte an einigen kahlen Sträuchern und stand zum Glück so, daß der Wind nicht den Geruch der Jäger zu ihm wehte. Es brauchte nur einen Blick zu dem Kater, dann stürmte Adan los und Tahir folgte einen kleinen Moment später und hetzte ihm nach. Der Bock erschrak und rannte los, doch er war nicht schnell genug und wie erhofft, gelang es dem Geparden, das Tier zu Fall zu bringen, um es zu reißen. Als der Araber den Ort des Geschehens erreicht hatte, sprang er sogleich vom Rücken seines Pferdes und lobte die schwer atmende Raubkatze. Als Belohnung bekam der Kater sogleich ein Stück des frischen Fleisches. Der junge Araber tat dies immer so, denn sein Weggefährte hatte ja auch die meiste Arbeit bei der Jagd. Doch dann schreckte Tahir auf und wirbelte herum. Hinter ihm tauchten fünf große Pferde samt Reiter auf der Kuppe einer der Dünen auf. "Lauf zu Amalric !" Der große Kater gehorchte und lief zurück. Der Hellhaarige rannte zu seinem Pferd, aber noch bevor er es erreicht hatte, sauste der Bolzen einer Armbrust auf ihn zu und streifte ihn am rechten Arm. Er hörte, wie die Pferde schwer schnaubend näherkamen und dann war er auch schon von fünf Kreuzrittern umzingelt. Das Nächste, was er fühlte, war ein Schlag, der seinen Hinterkopf traf. Die Schwärze einer Ohnmacht holte ihn ein und ließ ihn zusammenbrechen. Daß die Ritter ihn fesselten und über den Rücken seines Hengstes legten, bemerkte er nicht. Sie würden ihn zu ihrer Festung bringen und sich dort um den Araber kümmern.

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Mittlerweile brach schon die Nacht herein und Amalric wartete vor ihrem aufgebauten Zelt auf seinen Gefährten, während er mit jeder verstreichenden Minute unruhiger wurde. Er wußte, daß eine Jagd manchmal länger dauern konnte, doch dies war einfach nur absurd – Tahir hätte schon längst zurückkommen sollen, selbst wenn es bedeutete, daß er die Jagd abblasen mußte. Leise fluchend, drehte sich der junge Spanier schon zum Zelt, um dort ein wenig zu ruhen, als er plötzlich etwas hörte: Das Hecheln und Tappen des Geparden, zwar noch weiter entfernt, doch in der klaren Nacht deutlich zu vernehmen. Erleichtert sah ihm Amalric entgegen, doch dann zogen sich seine Brauen wieder tiefer, als hinter dem Kater Niemand kam – Adan selbst schlidderte die letzten Meter und brach schließlich bei Amalric zusammen, so daß der Schwarzhaarige sich besorgt hinkniete, ihn streichelte und ihm Wasser gab. "Verdammt, wo ist dein Herr ? Wieso kommst du alleine und hattest noch nicht einmal die Zeit, dich zu putzen ?" Dies war mehr als nur seltsam und Amalric beschlich ein sehr ungutes Gefühl, denn er wußte, daß der Kater nur auf einen ausdrücklichen Befehl Tahirs alleine zu ihm kommen würde. Doch weshalb Tahir das befehlen sollte, war ihm ein Rätsel. Irgendetwas stimmte hier nicht – ganz und gar nicht.

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Unterdessen erwachte Tahir aus seiner Ohnmacht. Er wusste nicht, wie lange er das Bewusstsein verloren hatte, doch als er die Augen öffnete, sah er, daß er von dunklen Mauern umgeben war. Er fühlte die schweren Ketten an Hand und Fußgelenken und erst jetzt wusste er wieder, was geschehen war. Leise knurrend lehnte er sich gegen die Fesseln, doch sie waren zu fest und schnitten sich gleich ein wenig in seine Haut ein.

"He !! Ruhe da, du Wurm !!" Noch im gleichen Moment, in dem die Ketten klirrten, bellte die raue Stimme des Kerkerwärters durch die Gitter und eine schwere Keule schlug gegen die Eisenstangen, um die lauten Worte noch zu untermalen. Mirco haßte die Ungläubigen, und er hatte keine Zweifel, daß dieser hier auch einer war – alleine schon diese ketzerische Kleidung zeigte es und so empfand der ein wenig tumbe Wärter nur Abscheu für den Gefesselten.

Doch unter der Kleidung trug Tahir das Kreuz, das Amalric ihm gegeben hatte, und das wusste er nur zu gut. Der kluge Araber war froh, daß diese Männer Spanisch sprachen und so konnte er verstehen, was der Mann sagte, und konnte sich mit ihnen verständigen. "Bitte... mein Herr wird böse werden, wenn ich nicht zu ihm zurückkehre. Bei Gott, er wird wüten." Sein Spiel war gewagt, doch er wusste, daß Amalric kommen würde. Er vertraute ihm.

Der Wärter stutzte merklich, als ihm der Araber verständlich antwortete und knurrte dunkel auf – schlug erneut mit der Keule auf die Gitter und runzelte die Stirn, als er versuchte nachzudenken, aber zu keinem Schluß kam. Dann drehte er sich um und ging nach oben zu seinem Vorgesetzten, dem er mit einem kurzen Grunzen sagte, daß der Araber Spanisch sprach und irgendetwas von einem Herrn faselte, zu dem er müßte. Der ältere Ritter runzelte nun ebenfalls die Stirn – er wußte, daß nur wenige der Ungläubigen ihre Sprache konnten und wollte dem nachgehen, denn es könnte ja auch eine Verschwörung sein, die hier im Gange war. Also stand er auf und herrschte den Wärter an, ihm vorzugehen, bis er schließlich vor der Zelle stand und den Gefesselten anherrschte. "Was jammerst du da von deinem Herrn ?! Erkläre dich, Ungläubiger !"

Tahir lächelte innerlich. Äußerlich sah er wie ein ängstliche Sklave aus, der Angst hatte, sein Herr würde ihn bestrafen, weil er ihn für seine missliche Lage selber verantwortlich machte. "Bitte, hoher Herr, mein Herr wird mich bestrafen, er denke, ich weggelaufen, oder ich habe was angestellt, weil ich gefangen, Bitte. Ich bin ein treuer Sklave, ich würde nie weglaufen."

Dies brachte den Ritter ein wenig zum Stutzen und er kam näher, verengte die Augen und musterte den jungen Mann. Die hellen Augen schienen merkwürdig – und ebenso die hellen Brauen und Wimpern, doch die unmißverständliche Kleidung der Ungläubigen war etwas, das ihn skeptisch machte. "Nenn mir den Namen deins Herrn, damit ich weiß, ob du lügst oder nicht ! Kein Ritter ist so dumm und läßt seinen Sklaven außer Sicht und ich habe Niemanden in deiner Nähe gesehen !"

Dieser Mann war also nicht so dumm wie der Andere. Tahir sah jedoch nicht auf, er blieb demütig. "Mein Herr heißt Amalric del Ponte, hoher Herr."

Dies brachte den Ritter dazu, seine Brauen noch tiefer zu senken, denn dies war eindeutig ein Name eines spanischen Adeligen. "Sag mir nur einen Grund, weshalb ein spanischer Adeliger einen Bastardsohn wie dich in seinen Diensten haben sollte – nochdazu in den Kleidern der Ungläubigen und nicht in den Kleidern, die der Diener eines Spaniers tragen sollte ! Und dazu noch alleine in der Wüste, ohne daß eine Spur von deinem angeblichen Herrn zu sehen gewesen war !" Der Ritter blieb noch immer äußerst mißtrauisch, denn die ganze Situation war mehr als nur merkwürdig und er wollte dem schnellstmöglich auf den Grund gehen.

"Mein Herr ist noch jung, er mich hier kaufen. Ich tragen sein Kreuz, er mich lehrt den wahren Glauben, den christlichen Glauben. Ich war für ihn jagen, damit er sich ausruhen kann von der Reise. Er reist zurück nach Spanien und nimmt mich mit, ich bekomme dort Kleidung, die angemessen ist." Tahir versuchte mit der Hand seinen Umhang zu öffnen, doch es gelang ihm nur ein wenig und so sah man wenigstens die goldene Kette.

Nun doch neugierig geworden, herrschte der Ritter den Wächter an, die Zelle aufzuschließen und trat näher, als dieser dem Befehl nachgekommen war. Ohne weiter auf die Kleidung zu achten, riß der ältere Ritter den Kragen auf und ein überraschter Laut entkam ihm, als er nun wirklich am Hals dieses jungen Sklaven ein schlankes, goldenes Kreuz hängen sah. Er rührte es jedoch nicht an und trat wieder zurück – befahl dem Wächter, die Zelle wieder zu schließen und ging ohne ein weiteres Wort zu seinem Vorgesetzten, um ihm zu berichten.

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In der Zwischenzeit hatte Amalric ihr Lager wieder abgebaut und das Gepäck auf die Pferde verladen, stieg auf und rief kurz nach Adan, ehe er dessen Spuren in die Wüste folgte. Es dauerte nicht lange, bis er an der Stelle angekommen war, wo es passierte – die blutigen Reste des Bocks lagen noch immer hier und im hellen Licht der Monde sah der junge Spanier auch die Spuren der großen Kaltblüter, die eindeutig Rittern gehört haben mußten. Auch ein Armbrustbolzen, der noch im Sand steckte, bestätigte dies unmißverständlich – leise fluchend sprang Amalric von seinem Hengst und zog ihn aus dem Sand, fluchte noch lauter, als er das Blut daran entdeckte und steckte ihn schließlich in eine der Taschen, ehe er zu überlegen begann. Daß der schlanke Raubkater leise maunzend um ihn herumschlich, bemerkte er nur nebenher, während er rätselte, was er machen sollte – doch dann kam er zu einem Entschluß und seufzte schwer, denn es war mehr als nur gefährlich, das zu tun, was er vorhatte. Doch er hatte keine andere Wahl – er holte sein Kettenhemd aus dem Gepäck und zog es sich über eine der Tuniken, die sie mitgenommen hatten, gürtete das schwere Langschwert, das er sich genommen hatte, an die Hüften und zog sowohl sein schweres, edelsteinbesetztes Kreuz über, wie auch seinen Siegelring, von dem er sich einen gewissen Nutzen erhoffte. Denn etwas war so klar wie nichts sonst: Raubritter hatten Tahir überfallen und verschleppt, und die einzige Hoffnung, die Amalric hatte, war, daß der junge Araber so klug gewesen war, sich als sein Diener auszugeben, so daß er ihn zurückholen konnte ... falls er noch lebte.

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Als die Wächter der kleinen Festung einen Reiter mit zwei Pferden und einem Raubkater erblickten, wurde sogleich der Anführer der Raubritter informiert. Der gab Befehl, den Reiter einzulassen, denn es schien der Herr dieses Sklaven zu sein. Sofern es wirklich ein Sklave war. Er kannte die Ungläubigen recht gut und er traute dem Ganzen nicht wirklich. Und doch war es wahrscheinlich. Dieser Hellhaarige war eindeutig ein Bastard, die hellen Haare und Augen sprach dafür. Als Amalric auf den Hof ritt, trat Santiago auf den Hof und musterte die schwarzen Hengste, ebenso den Reiter und den hechelnden Großkater, der laut fauchte, als einer der Wächter zu dicht an ihn herankam.

Amalric rief ein lautes "Adan !" und hoffte, daß der Kater ihm gehorchte – denn auch wenn sie jetzt schon einige Wochen zusammen reisten, war er nicht sein eigentlicher Herr. Doch er hatte Glück und der Kater kam wieder zu ihm, ohne an der Leine zu reißen, während der junge Spanier kurz den Kopf vor dem älteren Ritter neigte und schließlich zu ihm sprach. "Ich grüße euch – seit ihr der Herr dieser Burg ? Ihr habt meinen Sklaven geraubt und ich verlange, daß er mir wiedergegeben wird, und das unversehrt ! Ich bin Amalric del Ponte, Adelssohn aus Spanien und auf dem Rückweg zu meinen Besitztümern – und dieser verdammte Sklavenbastard ist der Einzige, der meinen Geparden beherrscht, er kostete mich gutes Geld !" Sein ganzes Wesen drückte aus, daß er ein Adeliger war – und gewohnt, daß man seinen Befehlen unverzüglich nachkam, ebenso wie der Zorn über den Raub unmißverständlich in den harten Zügen zu sehen war und seine Jugend Lügen strafte.

"Ich bin Santiago Forza, mir gehören diese Besitztümer hier." Der ältere Mann stellte sich angemessen vor, er ließ sich aber nicht unbedingt von dem jungen Adligen beeindrucken. "Ihr versteht, daß ich euch erst fragen muss, wie euer Sklave aussieht. Wir haben einen Mann in Gefangenschaft, er jagte auf meinem Land."

Leise schnaubend, stieg Amalric ab und ging zu dem Ritter, während er den schlanken Geparden dicht bei sich hielt, indem er die Leine kurz nahm und ihn beruhigend im Nacken kraulte. "Euer Land ? Nun, wir wußten nicht, daß diese von Gott verlassene Wüste euch gehört. Doch bevor ich mich weiter mit euch unterhalte, wünsche ich eure Gastfreundschaft zu beanspruchen – durch das Gefangennehmen meines Sklaven habt ihr mich um mein Abendessen und auch um meine verdiente Nachtruhe gebracht, es ist das Mindeste, wenn ihr mir dafür als Entschädigung eine Erfrischung reicht. Und natürlich kann ich euch meinen Sklaven beschreiben – ich würde es nur gerne mit ein wenig Wasser oder lieber noch Wein tun, der meine Kehle netzt." Erneut ließ Amalric durchblicken, daß er zwar jung war – doch keineswegs von dem Raubritter beeindruckt, auch wenn dieser älter war und einige Mann befehligte, die noch immer mißtrauisch die Hände an den Waffen hatten.

Das Herrische beeindruckte den älteren Mann und er nickte. Der Stolz dieses Jungen war beachtlich. "Nun, dann seit willkommen, junger Herr. Und ihr sagt es, diese Gegend ist gottverlassen, daher sind wir etwas misstrauisch." Santiago führte den Jüngling in sein Haus. Darin war es kühl und einige Sklaven huschten umher, um erfrischenden Wein und etwas zu Essen zu bringen. Der Raubritter hielt jedoch etwas Abstand, denn der Gepard knurrte immer wieder leise. Mit dem Hecheln hatte Adan inzwischen aufgehört, denn hier drinnen war es schön kühl.

Der junge Spanier folgte ihm und nickte nur auf dessen Worte – doch er fügte noch ein kurzes "Ich hoffe, daß ihre Leute sich auch um meine Pferde kümmern – und ich hoffe auch, daß mein Gepäck unangerührt ist, wenn ich wieder gehe, denn ich habe durch mein Siegel die köngliche Erlaubnis, Plünderer sofort zu richten. Doch ich denke, sie haben ihre Untergebenen gut im Griff, Don Santiago ..." an und zeigte durch einen harten Blick, daß der ältere Ritter gut daran täte, dafür zu sorgen, daß es auch so geschah. Als sie schließlich in einem geräumigen Atrium ankamen, nickte Amalric nur und setzte sich auf eine der bequemen Liegen, nahm einen tiefen Schluck Wasser und stellte den Kelch dann für Adan auf den Boden, damit auch dieser etwas trinken konnte.

Der große Kater war dafür mehr als dankbar. Auch wenn er unruhig war, weil er Tahir hier riechen konnte, trank er aus dem Kelch und leerte ihn. "Meine Männer werden eure Pferde nur tränken und in den Schatten bringen. Keiner wird es wagen, euer Gepäck anzurühren." bestätigte Santiago und musterte die ungewöhnliche Raubkatze. "Ein ungewöhnlicher Geschmack. Aber interessant, diese helle Katze." Er trank selber einen Schluck und kam dann zum eigentlichen Thema zurück. "Nun, beschreibt mir euren Sklaven. Wenn er es ist, dann hohle ich ihn sogleich."

Mit einem Nicken kraulte Amalric weiterhin beruhigend über den Nacken des Geparden, musterte sein Gegenüber und nach einer Weile sprach er schließlich zu ihm. "Mein Sklave ist eigentlich nicht zu verwechseln – er ist der Bastard einer Sklavin und eines Ritters, er hat weißes, langes Haar und sehr helle Augen, auch wenn seine Haut die gleiche ist wie die seiner Sklavenmutter. Er trägt noch die Kleidung, in der ich ihn gekauft habe – hier in diesem von Ungläubigen beherrschten Land ist es ein Ding der Unmöglichkeit, einem Diener angemessene Kleidung zu kaufen. Doch ich habe ihm ein Goldkreuz gegeben, es ist sehr einfach und schlicht – er ist noch immer ein Diener, auch wenn ich ihn nun zum rechten Glauben bekehre. Und er ist der Einzige, der diese herrliche Raubkatze völlig beherrschen kann, ein weiterer Grund, weshalb ich ihn wiederhaben will, schließlich möchte ich mein Gold und meine kostbare Zeit nicht umsonst an ihn verschwendet haben." Man hörte gut heraus, daß er scheinbar nicht viel für den Sklaven empfand, außer, daß er ihm von Nutzen sein sollte – doch innerlich krampfte sich alles in Amalric zusammen, so über seinen Liebsten reden zu müssen, und sein Zorn darüber zeigte sich mehr als nur deutlich in den dunklen Augen.

Santiago sah den Zorn, er nickte und sagte einem Diener Bescheid, daß Mirco den Mann befreien und ihn hinaufbringen sollte. Der Diener eilte sich sogleich, und geschwind war er in dem Verließ angekommen, wo Mirco auf einem Hocker zurückgelehnt saß und schlief. "Herr ? ....Herr Forza wünscht, daß ihr den hellhaarigen Sklaven aus der Zelle lasst, dessen Herr ist gekommen, um ihn abzuholen."

"Huh ? Was ?" Der Wächter war noch nicht ganz beisammen, da er so unsanft aus seinem Schlaf gerissen wurde, und brauchte erst ein paar Momente, um das alles zu verstehen. "Verdammt – dieser schmutzige Hund hat also tatsächlich die Wahrheit gesagt ?! Verdammt ...." Leise murrend, erhob er sich und schloß die Zelle auf, ging zu den Ketten und knurrte ein hartes "Wehe, wenn du nicht ruhig bist – ich schlag dir gerne deine Fresse ein, du ungläubiger Hund ...." und öffnete dabei die Ketten, bereit, jederzeit zuzuschlagen, wenn der Hellhaarige auch nur eine falsche Bewegung machen sollte. Doch zu seinem Mißfallen war dieser gehorsam und folgte ihm ohne ein Widerwort aus der Zelle, so daß der Wächter nur mürrisch nach einer der Wachen rief, damit sie den Diener und den Gefangenen begleiten konnte.

Die Wache kam auch sogleich und brachte den Gefangenen zusammen mit dem Diener nach oben. Als sie dann den großen Raum betraten, neigte Tahir seinen Kopf noch tiefer und ging sogleich bei seinem Herren auf die Knie. "Bitte vergebt mir, Herr, ich war unachtsam." wisperte er gespielt ängstlich und doch klang es, als wäre es echt. Adan erhob sich geschmeidig und kam zu seinem Herrn, er leckte dem Weißhaarigen sogleich das Gesicht ab, legte sich aber, als Tahir eine Bewegung mit der Hand machte. Santiago beobachtete dies und nickte leicht. "Dein Sklave ist wirklich gut erzogen."

"Aber natürlich ist er das – ich mache mir nicht die Mühe, einen Sklaven während einer Reise zu brechen." Während er sprach, legte Amalric seine Hand in das Genick des Hellhaarigen, um ihn scheinbar zu dominieren – doch er tat es eigentlich nur, damit er seinen Liebsten fühlen konnte und in dem Moment, in dem seine Fingerspitzen die weiche Haut berührten, hörte das leichte Beben auf und der junge Spanier wurde innerlich ruhig, auch wenn seine Wachsamkeit nicht eine Sekunde nachließ. "Wie ich sehe, hat er geringfügige Verletzungen – doch es ist nicht der Rede wert, er wird es überstehen, es wird ihm eine Lehre sein. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft, Don Santiago – ich werde nun wieder abreisen, denn ich möchte nicht zuviel meiner Zeit verlieren, um noch ein Schiff nach Byzanz zu bekommen und mich dem Heer, das sich dort sammelt, anzuschließen. Wenn ihr mich also entschuldigt ?" Bei den letzten Worten stand Amalric auf und neigte respektvoll seinen Kopf, auch wenn er den Blick erhoben hielt und so seinen edlen, hohen Rang zeigte.

Auch Santiago erhob sich und neigte seinen Kopf. Auch er hielt den Blick oben, denn auch er hatte einen Rang, den er nicht unterdrücken würde. "Sehr löblich, junger Herr. Ich wünsche euch eine gute Reise und Gottes Segen. Ich habe mir erlaubt, etwas Proviant bereitzustellen. Eine kleine Entschädigung für die Strapazen." Tahir erhob sich nun auch langsam und nahm die Kette Adans entgegen. Der Kater war gleich viel ruhiger und schmuste an den Beinen seines Herren entlang.

"Ich danke euch, Don Santiago – euer Geschenk wird uns helfen und euch den Segen Gottes erwirken. Tahir, kümmere du dich um die Katze – Don Santiago, ich kann doch davon ausgehen, daß der Hengst, den mein Sklave ritt, auch an mich ausgehändigt wird, ebenso wie seine Waffen ? Ich habe ihm erlaubt, sie für die Jagd zu nutzen, doch jetzt werde ich wieder dafür sorgen, daß er weiß, wo sein Rang ist. Er soll nun wieder laufen, da er meine Geduld zu sehr strapaziert hat." Amalric hörte sich ein wenig gelangweilt an, so als ob dies eine eher lästige Angelegenheit für ihn wäre und kaum der Rede wert – doch er hoffte, daß er alles, das Tahir besessen hatte, wiederbekommen würde, ohne daß es zu einem Streit kam.

"Dieser mickrige Hengst wartet schon bei euren Pferden." Mehr sagte der Ältere nicht, für ihn waren diese arabischen Pferde nicht viel wert und wäre Amalric nicht gekommen, so hätte er das Tier geschlachtet, um wenigstens eine ordentliche Mahlzeit daraus zu machen.

Der junge Spanier nickte nur und erwiderte seinen Dank, während er dem älteren Ritter nach draußen folgte und darauf achtete, daß er Tahir immer ein wenig voraus war, auch wenn es ihm im Innersten widerstrebte. Doch noch mußte er diese Farce aufrechterhalten und lächelte hart, als er mit einem Blick bemerkte, daß das Gepäck unberührt war, die Pferde gut versorgt schienen und auch Tahirs goldfarbener Hengst bei den anderen Pferden stand, samt dem Sattel und den Waffen, die der Hellhaarige an sich gehabt hatte. Amalric nahm sie sofort vom Sattel und verstaute sie in einem der Beutel seines eigenen Reittieres, als ob sie Beute wären, und stieg auf sein Tier – nickte noch einmal respektvoll und verabschiedete sich mit einem "Möge der Allmächtige seinen Segen auf euch scheinen lassen, Don Santiago.", nahm die Zügel der anderen Pferde in die Linke und knurrte noch ein "Du läufst hinterher, undankbarer Hund !" zu Tahir, ehe er langsam aus der Burg ritt.

"Jawohl, Herr." wisperte Tahir gerade so laut, daß man es hörte, und lief dann los. Er lief hinter der kleinen Karawane aus vier Pferden und treu neben ihm lief Adan. Tahir wusste, daß Amalric das Ganze viel Überwindung gekostet haben musste, er wusste aber auch, daß es absolut nötig gewesen war. Trotz großem Hunger und Durst blieb er an seinen Platz, erst, wenn sie weit genug weg waren, würde er wieder reiten können.

An genau das Gleiche dachte auch der junge Spanier, als er den Weg zu den nahen, kleinen Steinhügeln einschlug, die zu klein waren, um sich Berge zu nennen. Doch sie waren hoch genug, um einen angenehmen Windschutz zu bieten und einen guten Lagerplatz, da dort oft kleinere Höhlen waren, in denen man geschützt lagern konnte und von Niemandem gesehen wurde. Und wie erwartet, erreichten sie bald die Hügel und nachdem sie ein wenig darin umhergeritten waren, auch eine kleine Schlucht, die in einer größeren Höhle endete, die groß genug für das Zelt und auch die Pferde war. Kaum, daß sie dort ankamen, sprang Amalric vom Pferd und zu seinem Liebsten – riß ihm schon fast die verdreckte Kleidung vom Leib und zog den nackten Körper dann an sich, küßte ihn hart und sehnsüchtig und atmete schwer vor Erleichterung, daß sie das alles unbeschadet hinter sich gebracht hatten, während er immer wieder ein leises "Es tut mir leid ... es tut mir so leid, mein Herz." wisperte.

Tahir schlang auch gleich seine Arme um ihn und schmiegte sich an den Körper seines Liebsten. "Schon gut, ich weiß doch, daß es nötig war." Doch dann verließ ihn die Kraft in seinen Beinen und er sackte etwas weg. "Ich brauch etwas Wasser..." dabei wispernd. Er hatte, seit er zum Jagen geritten war, nichts mehr getrunken und selbst ihm, der in der Wüste lebte und Durst gewöhnt war, machte es jetzt deutlich zu schaffen.

"Natürlich, mein Herz. Sofort." Ohne weiter zu zögern, hob der junge Spanier ihn auf seine Arme und trug ihn in die Höhle, brachte ihn dort zu einer kleinen Quelle und nahm noch einen Becher mit, ehe er Tahir bei der Quelle abließ und ihm Wasser schöpfte. Man sah dem Hellhaarigen dessen Erschöpfung deutlich an – doch er mußte nicht nur trinken, sondern auch etwas essen und sich säubern, es schien ein Wunder, daß Tahir sich in der Kerkerzelle nicht beschmutzt hatte.

Seine Blase war aber auch zum Bersten voll, er hatte es nur seinem Stolz zu verdanken, daß er sich nicht beschmutzt hatte. Er trank rasch einige tiefe Schlucke und versuchte dann, aufzustehen. "Ich muss nochmal raus..." Er musste nicht nur pinkeln und hatte wirklich langsam etwas Not. Seine Beine trugen ihn gerade so.

Amalric nickte nur, denn er konnte es sich schon denken – nahm ihn behutsam wieder auf seine Arme und trug ihn nach draußen und ein wenig auf die Seite, setzte ihn auf einen schmalen Felsen und lief wieder zurück zu den Pferden, um dort eine kleinere Schale, einen Lappen und ein wenig Wasser zu holen, damit sich Tahir danach waschen konnte. Doch er blieb nicht, damit er ihm genug Privatsphäre für diesen doch sehr persönlichen Akt lassen konnte, kehrte wieder in die Höhle zurück und lud die Pferde ab, um sie dann in einer kleineren Seitenhöhle zu versorgen, die ebenso eine kleine Quelle hatte.

Tahir kam ein wenig später wieder in die Höhle. Die Schale und den Lappen hatte er bei sich und Beides stellte er zu ihrem Gepäck zurück, bevor er sich auf die Decke sinken ließ und erst einmal die Augen schloss. Adan hatte sich etwas entfernt zusammengerollt und schlafen gelegt. Der Kater war wohl ebenso erschöpft wie sein Herr und gönnte sich den Schlaf, ohne sich von den Geräuschen um ihn herum stören zu lassen.

Leise lächelnd, kam auch der junge Spanier zu der Decke und zu seinem Liebsten, zog sich auf dem Weg dorthin aus und legte sich dann neben ihm, ehe er ihn an sich zog und erneut voller Sehsucht küßte. "Ich hatte solche Angst, mein Herz – Angst, daß sie dir etwas getan haben, dich verletzt ... oder sogar getötet. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn ... ich ..." Ihm versagten die Worte, da er erst jetzt völlig realisierte, daß er die Ritter alle getötet hätte und dabei höchstwahrscheinlich selbst gestorben wäre, wenn sie Tahir ermordet hätten.

"Vergessen wir das... ich will nicht mehr daran denken. Es ist Vergangenheit und wir sollten an die Zukunft denken." Tahir blickte lieber voran, es war schöner, denn viel Vergangenes war schlecht und er wollte sich nicht daran erinnern. Einzig, wie er Amalric kennengelernt hatte, das wollte er niemals vergessen.

Ihm antwortete nur ein leises, zustimmendes Knurren, ehe auch das verstummte und der junge Spanier nurmehr den warmen, schlanken Körper seines Liebsten an dem Seinen genoß. Amalric bemerkte schon gar nicht mehr, daß er Tahir auf seine Arme nahm und in die Höhle brachte. Und er bemerkte auch nicht mehr, wie er zu ihm auf ihr Lager kam, nurmehr der so süße Mund und das ebenso süße Gefühl, sich mit dem Hellhaarigen zu vereinigen, zählte. Alles Andere wurde unwichtig und verschwamm zu einem undeutlichen Nebel um sie herum, ehe jegliches Denken versiegte und nurmehr die leisen Laute ihrer Lust zu hören waren.

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