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”Der Eisriese Irtahir” 06
 

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Kapitel 6

 

 

Die Schlacht am nächsten Tag wütete lange und grausam ... der Blutzoll auf beiden Seiten war sehr hoch und erst, als die Sonne den Zenit überschritten hatte und sich anschickte, unterzugehen, gelang es Lairan, zu dem zweiten Berserker durchzudringen und ihn zu besiegen.

 

Da der Fuchsclan nun die beiden mächtigsten Krieger verloren hatte, wurde es aussichtslos, der Anführer der Füchse ergab sich und die Wölfe kamen mit Siegesrufen auf den Lippen in ihr Lager zurück. Auch Lairan kam mit den Anderen und ging zu seinem Reisebündel, denn seine Arbeit war getan und sobald er den ausstehenden Sold bekommen hatte, würde er wieder weiter in den Süden ziehen, in dem er auch die letzten Jahre verbracht hatte.

 

Doch irgendetwas nagte an ihm – er konnte es nicht benennen, er wußte nur, daß etwas passieren würde und es mit ihm zu tun hatte. Und im gleichen Augenblick, in dem er dies erkannte, fiel sein Blick auf den Fremden, der ihn mit diesen uralten, weisen Augen anblickte. Es war seltsam ... der Fremde sah jünger aus als der Kelte, doch diese goldenen Augen trugen eine Weisheit in sich, die dessen junges Aussehen Lügen strafte. Der Fremde lächelte nur und nickte, wies mit der Hand nach Norden und zerbarst in goldenes Licht, um als Goldadler daraus emporzufliegen und in den von der Sonne in weiches, rotes Licht gefärbten Wolken zu verschwinden.

 

Die Krieger keuchten leise, denn sie alle wußten, wer hier unerkannt unter ihnen gekämpft hatte – und Wulfgar war es schließlich, der es aussprach.

 

"Bei den Göttern ... das war der Sonnenadler, Althai ... die Legenden stimmen, er reist noch immer unter den Stämmen, kämpft für sie und sammelt die Geschichten der Krieger, um sie an anderen Lagerfeuern zu erzählen."

 

Die anderen Krieger nickten nur und schlugen ehrerbietig das Zeichen des Sonnenadlers, der den Frühling und die Sonne brachte, ehe sie sich wieder an ihre Lagerfeuer begaben und darüber redeten, daß diese Schlacht es wert gewesen war, daß sogar Althai hierher kam.

 

Die drei Krieger wußten es jedoch besser und Wulfgar sah zu dem Kelten, der für sie gekämpft hatte. Er ahnte, daß der Sonnenadler nur wegen ihm gekommen war – Lairan hatte in dieser Schlacht die beiden Berserker des Fuchsclans besiegt und auch die Geschichte, die er ihnen den vorigen Abend am Lagerfeuer erzählt hatte, war es gewiß wert, weitererzählt zu werden.

 

Aber dann stutzte Wulfgar, als er etwas aus dem Augenwinkel bemerkte: Irgendetwas schien seinen Blick zu fangen, er blickte in den Norden, wie der Sonnenadler es ihn geheißen hatte. Und wirklich – im Licht der untergehenden Sonne war etwas zu erkennen, ein Schatten, der rasch deutlicher wurde und näherkam.

 

Und noch während dies geschah, lachte Lairan kurz auf, da er wußte, was er dort sah – er kannte diesen Schatten und all die Anspannung, die seit Jahren in ihm gewesen war, fiel von ihm ab wie vergangener Regen. Er schulterte sein Reisebeutel, nahm seine Kriegsaxt auf und stapfte los, durch den aufgewühlten und blutigen Schnee auf die Gestalt zu, die langsam besser erkennbar war. Einige Herzschläge später lösten sich Schreie des Entsetzens aus den Kehlen der Krieger des Wolfsclans, als sie erkannten, wer diese Gestalt war: Der von Eisschlangen gezogene Schlitten war unverkennbar, ebenso wie der riesige, ehrfurchtgebietende Krieger, der darin stand und mit einem lauten Brüllen seine scharfe Streitaxt schwang.

 

Lairan hingegen ging schneller, bis er schließlich ein wenig weiter vom Lager weg stehenblieb und auf ihn wartete. Es dauerte nicht lange, bis der Schlitten bei ihm ankam und hielt – als der Kelte ohne Furcht einstieg und von dem Eisriesenkönig in einen harten Kuß gezogen wurde, keuchten die Krieger im Lager auf und sahen ehrfürchtig zu dem Riesen, als dieser die Zügel schnalzen ließ und die Eisschlangen den Schlitten wieder in den Norden zurückzogen.

 

Sie hörten lediglich das erneute, laute Brüllen Irtahirs – und den hellen, lauten Schrei des goldenen Sonnenadlers, der über ihnen kreiste und im letzten Licht der Sonnenglut golden aufleuchtete.

 

Der schlanke Weradler lächelte ein wenig zu sich selbst – endlich hatte er den Krieger gefunden, der dem alten Werschneetiger das Herz gestohlen hatte. Und endlich war dieser Krieger durch die Hilfe des Sonnenadlers wieder in den Norden zurückgekehrt, damit Althai Irtahir rufen und dieser ihn sich holen konnte.

 

Wieder einmal hatte der Wersonnenadler seine Aufgabe erfüllt – und es ließ ihn innerlich auflächeln, als Irtahir ihm seine Dankbarkeit und ein Bild Lairans sendete, der mit einem entspannten Lächeln an den Eisriesenkönig lehnte und dessen starken Arm um sich genoß.

 

Es war schon lange her, daß der Goldäugige das letzte Mal mit Irtahir geredet hatte – die alten Werwesen starben langsam alle aus und so nutzte Althai jede Gelegenheit, die sich ihm dafür bot und landete ein wenig weiter weg in einem Wald, um sich zurückzuverwandeln.

 

Leise lachend, schwang der schlankere Geschichtenerzähler seine langen, wallenden Haare über die Schulter und nahm sein eigenes Reisebündel auf – er hatte noch einen langen Weg vor sich, um in den Süden zu kommen, der ihn mit seinen erblühenden Städten, Kulturen und auch den Legenden lockte, die dort entstanden.

Legenden über mächtige Krieger und verwegene Abenteurer – oder auch nur die Geschichte eines Mannes, der sein Herz verlor und sein halbes Leben dafür brauchte, es sich einzugestehen und zurückzukehren.

 

 

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